KTM und der Weg in die MotoGP™

Anderthalb intensive Arbeitsjahre liegen hinter KTM: Die Österreicher haben die RC16 von einem weißen Blatt Papier aus entwickelt.

Illmor, Kawasaki und Co – eine ganze Reihe von Herstellern hat sich schon an der MotoGP™ Weltmeisterschaft versucht. Zuletzt sind Suzuki und Aprilia hinzugekommen, um die Etablierten-Phalanx von Honda-Yamaha-Ducati zu durchbrechen. Beide Hersteller gaben Comebacks, waren vorher schon einmal in der Königsklasse involviert. 2017 kommt nun KTM in die MotoGP™ dazu, wird der sechste Hersteller. Mit Bradley Smith und Pol Espargaró sind bereits zwei Hochkaräter als Fahrer verpflichtet.

KTM wird dabei nicht erstmals in der MotoGP™ auftreten. 2005 lieferten die Österreicher bereits Motoren an das Proton Team KR von Kenny Roberts senior. Der damalige V4-Motor hatte 990ccm und war eine Eigentwicklung für das GP1-Projekt, welches KTM aber 2003 ad Acta gelegt hatte.

Die Österreicher feierten derweil in der kleinsten GP-Klasse bereits große Erfolge. Den ersten KTM-Sieg holte Casey Stoner 2004 in Malaysia, als er die 125ccm-Klasse gewann. 2013 wurden alle Moto3™ Rennen von KTM-Maschinen gewonnen, es gab zwei Hersteller-Titel.

KTM war auch in der mittleren GP-Klasse unterwegs. Die KTM 250 FÜR kam ab 2005 zum Einsatz, den ersten Sieg gab es 2006 beim Grand Prix der Türkei. Hiroshi Aoyama und Mika Kallio teilten sich neun Siege, ehe KTM das Motorrad Ende 2008 zurückzog.

Aus dem Suzuki-Comeback in die Königsklasse hat KTM einige Lehren ziehen können. Die Japaner haben bewiesen, dass man sehr wohl abseits des Wettbewerbes ein Motorrad entwickeln und ab Einstieg auch die Etablierten ärgern kann. KTM testet seit 2016 hinter verschlossenen Türen, arbeitet unermüdlich an der Entwicklung der neuen Maschine.

2014 hatte KTM Sport Direktor Pit Beirer offiziell das RC16 Projekt bestätigt und verkündet. KTM setzt traditionell auf den Gitterrohrrahmen und natürlich die Farbe orange.

Die RC16 debütierte erstmals in der Öffentlichkeit, als Ex-MotoGP™ Pilot Alex Hofmann Ende 2015 auf dem Red Bull Ring testete. Hofmann war in seiner MotoGP™ Karriere für Kawasaki und Ducati unterwegs, half dann Aprilia bei der Entwicklung des RSV4 Superbikes. Der erste Test war ein simpler Shakedown um zu prüfen, ob das Motorrad an sich einwandfrei funktioniert.

Dann gingen die Tests in Valencia weiter, wo Hofmann weitere große Namen des Grand Prix Sportes zur Seite standen: Der mehrfache Moto2™ Rennsieger und ehemalige KTM 125ccm und 250ccm Pilot Mika Kallio. Das RC16 Projekt hatte nun nicht nur zwei erfahrene Piloten zur Seite, die die Maschine nahe ans Limit heranführen konnten, sondern in Mike Leitner auch den ehemaligen Crewchief von Dani Pedrosa als Techniker. In Valencia wurde für KTM der Grundstein für die weitere Entwicklung im folgenden Jahr gelegt.

Nach diesen beiden Tests konnte KTM im Winter im Werk intensiv arbeiten. Im Februar ging es dann in Jerez wieder auf die Strecke, erneut fuhren Kallio und Hofmann den Mammutteil des Tests.

Am dritten Testtag dort, als der Regen aufgehört hatte, übernahm Randy de Puniet von Hofmann. Auch er hat einige Erfahrung mit MotoGP™ Maschinen, ist für Kawasaki, Honda, Ducati und Aprilia gefahren und war einer der Hauptentwickler der neuen GSX-RR Suzuki, mit der heute Maverick Vinales und Aleix Espargaró erfolgreich sind.

De Puniet und Kallio fuhren dann in Spanien noch einen zweiten Test in Valencia, um die Fortschritte gegen zu prüfen. Beide konnten immense Fortschritte bei der Elektronik verzeichnen. Mit der Einführung der Einheitselektronik in der MotoGP™ sollte eben der Einstieg neuer Hersteller leichter gemacht werden.

Von Spanien aus ging es dann für de Puniet, Kallio und KTM nach Brünn, wo man erst am zweiten Tag richtig testen konnte. De Puniet äußerte damals, dass zwischen Valencia und Brno signifikante Fortschritte an der Maschine gelungen seien.

Beim vierten Test des Jahres setzte KTM auch auf einen vierten Entwicklungsfahrer: Karel Abraham probierte die MotoGP™ Maschine in Misano. Bei der Entwicklung von GP-Maschinen ist es immer Ratsam, Feedback von vielen Fahrern einzusammeln, sich bei der Entwicklung nur auf einen Fahrer zu stürzen, kann langfristig zu Problemen führen. Abraham zeigte sich positiv überrascht vom Level der RC16.

Im Anschluss wurden wieder neue Teile und Upgrades produziert und Abraham und Kallio konnten die in Brünn erneut probieren. Dieses Mal war das Wetter um Längen besser und man arbeitete an der Steifigkeit von Rahmen und Schwinge. Kallio, der da die meiste Erfahrung auf dem Bike hatte, sagte, dass die Maschine nun einfacher zu fahren sei.

KTM kehrte nun noch einmal nach Jerez zurück, um erneut die Fortschritte zu verifizieren. Der Test fand bei extrem heißen Bedingungen statt – so heiß, dass KTM im Anschluss den Privat-Test in Malaysia strich. Die extremen Temperaturen in Spanien hatten für die RC16 keine Probleme dargestellt, damit wurde bestätigt, dass es mit dem Motorrad in die richtige Richtung geht.

Randy de Puniet, KTM RC16, Jerez 2016

Zwei Wochen später ging es in Mugello weiter und erneut gab ein Moto2™ Laufsieger sein Debüt auf der Maschine: Tom Lüthi griff auf dem orangenen Renner in Italien an. Auf der langen Gerade konnte die RC16 erstmals ihre Fühler nach den derzeitigen MotoGP™ Maschinen ausstrecken, denn die hatten nur wenige Tage zuvor hier ihr Rennen gefahren.

Tom Luthi KTM RC16 Pit Lane Mugello 2016

KTM ruht sich aber nicht auf der geleisteten Arbeit aus und arbeitet immer weiter, selbst, wenn gerade nicht gefahren wird. Es stehen noch einige Privat-Tests auf dem Programm, ehe KTM Ende des Jahres eventuell noch mit einer Wildcard beim Valencia-Finale der MotoGP angreifen wird.