Am Ende des Jerez-Tests schien die Welt Ducati zu Füßen zu liegen. Und in gewisser Weise bleibt das auch nach dem Grand Prix von Qatar und dem Beginn des Jahres 2022 so, aber die Gleichung ist komplexer, als es den Anschein hat. Letztendlich war es nämlich die GP21 von Enea Bastianini (Gresini Racing MotoGP™), die unter den Flutlichtern von Doha einen atemberaubenden Sieg einfuhr. Der junge Italiener fuhr damit seinen ersten MotoGP™-Sieg und den ersten für sein Team seit 2006 ein - und das auch noch auf wirklich beeindruckende Weise. Mit einem überzeugenden zweiten Platz von Brad Binder (Red Bull KTM Factory Racing) und einem ebenso starken Debüt für Hondas neuer RC213V auf Rang drei in den Händen von Pol Espargaro (Repsol Honda Team), gibt es auf dem Weg nach Lombok eine Menge Gesprächsstoff. Also los geht's!
Erstens: Ducati. Für Francesco Bagnaia und seinen Teamkollegen Jack Miller war es ein ziemlich schwieriges erstes Rennen der Saison. Das Ducati Lenovo Team ist immer noch auf der Suche nach dem richtigen Set-Up für die GP22, denn in Qatar kam es zunächst zu einem Sturz und in Millers Fall zu einem Problem mit der Elektronik. Die beim Mandalika-Test gesammelte Erfahrung könnte dabei helfen, die ideale Einstellung zu finden. Zuverlässigkeit war für die aus Bologna stammende Truppe gewiss nie ein Problem, daher gibt es sicher genügend Gründe, in Mandalika mit den Roten im Kampf um das Podium rechnen zu müssen. Jorge Martin (Pramac Racing) wurde ebenfalls Opfer von Bagnaias Fehler, so dass man das "Hätte-Wäre-Wenn" -Spiel spoielen könnte, aber letztlich wird es immer ein Rätsel bleiben, wie Martin ohne den kostspieligen Zwischenfall abgeschnitten hätte und auch sein Teamkollege Johann Zarco schien mit P8 ein wenig unter dem Radar zu bleiben. Haben die Roten noch mehr in der Hinterhand?
Wenn man sich Bastianinis unglaubliches Rennen ansieht, ist da sicher noch viel Ungenutztes Potential. Ducati führt die Konstrukteursmeisterschaft an, und zwar mit demselben Motorrad, mit dem sie sie in der letzten Saison gewonnen haben.
Für KTM war es eine eher zurückhaltende Vorsaison, doch das österreichische Werk hat in Qatar ihre Stärke bewiesen. Und auch wenn die Top 21 am dritten Tag des Mandalika-Tests um achteinhalb Zehntel auseinander lagen, ist dieses Wochenende sicher wieder mit Brad Binder (Red Bull KTM Factory Racing) zu rechnen, nachdem der Südafrikaner in Lusail mit einer ernst zunehmenden Form aufgetrumpft. Die Startnummer 33 hielt sich von Anfang an an der Spitze und blieb dort auch bis zur Zielflagge. Dabei lag er nur ein paar Zehntel hinter Bastianini – und das auf einer Strecke, auf der die orangefarbenen Maschinen traditionell etwas mehr zu kämpfen haben als auf anderen. Daher wird es in der Boxengasse wahrscheinlich ein wenig Getuschel geben, begleitet von einer gewissen Besorgnis darüber, was genau KTM für die Zukunft im Gepäck haben wird. Mandalika könnte gut zu Mensch und Maschine passen, und Binder hat auf dem obersten Treppchen Blut geleckt, so dass er gewiss Lust auf einen weiteren MotoGP™-Sieg hat. Kann der Südafrikaner in Indonesien noch einen draufsetzen? Und kann Teamkollege Miguel Oliveira zurückschlagen?
Ein weiteres interessantes Gesprächsthema aus Qatar kommt ganz sicher von Honda. Pol Espargaro führte nicht nur mehr Runden in einem Rennen als jemals zuvor, sondern er brachte die neue RC213V auf das Podium. Damit schlug er seinen Teamkollegen und achtmaligen Champion Marc Marquez und wurde der bester Honda-Pilot in Qatar. In Anbetracht der turbulenten Zeit, die Fahrer, die nicht Marc Marquez sind, mit der Honda hatten, spricht es dafür, dass das Werk ein Hauptziel für 2022 erreicht hat: Fahrbarkeit - und auch ernsthafte Geschwindigkeit zurückzugewinnen. Pol Espargaro führte die Zeitenliste am dritten Testtag in Mandalika an, was ihm auf dem Weg nach Indonesien sicherlich zusätzlichen Auftrieb gibt.
Marquez wird mit seiner zunehmenden Erfahrung auf dem neuen Motorrad und seiner besseren körperlichen Verfassung zweifelsohne vorne mitmischen, und nach zwei so schwierigen Saisons ist ein fünfter Platz in Lusail eine solide Warnung für den Rest: Die Nummer 93 fährt und ist stark. Kann er in Mandalika auf das Podium fahren und seinen Teamkollegen abschmieren?
Für Aprilia war es derweil das beste MotoGP™-Rennen aller Zeiten, wenn man nur die Zeitenlisten betrachtet. Aleix Espargaro (Aprilia Racing) mag zwar Vierter geworden sein, aber so nah war das Werk aus Noale noch nie am Sieger dran. Das ist wahrlich ein sehr guter Start für eine RS-GP, die in der Vorsaison schlank daherkam und dabei doch sehr bedrohlich aussah. Für Maverick Viñales war es allerdings ein schwierigerer Auftakt, und er wird in Mandalika nach mehr streben. Am dritten Testtag wurde die Espargaro Dritter und die Nummer 12 Siebter, getrennt durch weniger als ein Zehntel, also wird Aprilia sehr daran interessiert sein, dass beide Motorräder in die Punkte fahren - und versuchen, den vierten Platz in der Konstrukteurswertung zu halten.
Und dann ist da noch Suzuki. Es gab viele erstaunte Blicke, nachdem am Freitag in Qatar eine GSX-RR eine Ducati auf der Geraden überholt hat. Das Qualifying war recht solide, und der Start des Rennens war es auch. Doch mit zunehmender Rundenzahl konnten die Maschinen des Team Suzuki Ecstar nicht mehr ganz in den Kampf um das Podium eingreifen und kamen schließlich auf P6 (Joan Mir) und P7 mit dem Schnellsten vom Freitag, Alex Rins, ins Ziel. Sie werden in Mandalika viel mehr wollen und Boxenreporter Simon Crafar sagte bei den Tests vor der Saison, dass er erwartet, dass das 17-Kurven-Layout den Suzukis entgegenkommt... Es könnte also spannend werden
Für Yamaha war es ein harter QatarGP. Mit dem amtierenden Champion Fabio Quartararo (Monster Energy Yamaha MotoGP™) auf dem neunten Platz war es die schlechteste Platzierung für die Yamahas beim Saisonauftakt seit 2006 - und das lag nicht an einem einzigen Problem. Die Iwata-Marke wird alle Hände voll zu tun haben, um in Mandalika eine viel bessere Performance abzuliefern. Sowohl für Quartararo als auch für Teamkollege Franco Morbidelli, der auf P11 landete, bleiben nämlich alle Erwartungen an ihre Werksmaschine unerfüllt. Andrea Dovizioso (WithU Yamaha RNF MotoGP™ Team) wurde nur 14. und kämpfte trotz seiner vielen Erfahrung darum, den Anschluss nicht zu verlieren. Quartararo war am dritten Testtag in Mandalika nur 0,014 Sekunden von der Spitze entfernt, also könnte sich die Strecke als ein glücklicheres Pflaster erweisen...
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die Rookies. Marco Bezzecchi (Mooney VR46 Racing Team) war der Ausreißer der ersten Rennhälfte, nachdem er sich von seinen Mitstreitern absetzte und einige Wellen schlug, bevor er bedauerlicherweise stürzte. Das bedeutete jedoch, dass Remy Gardner (Tech3 KTM Factory Racing) gegen Darryn Binder (WithU Yamaha RNF MotoGP™ Team) den Kampf um den besten Rookie und am Ende auch den Kampf um den ersten GP-Punkt für sich entschied. Der amtierende Moto2™-Champion holte sich den Rookie-Sieg um Hundertstel, aber auch Binder, der aus der Moto3™ aufgesteigen ist, beeindruckte. Kann Fabio Di Giannantonio (Gresini Racing MotoGP™) in Mandalika einen Schritt nach vorne machen und kann Raul Fernandez (Tech3 KTM Factory Racing) nach einem beeindruckenden Start wieder an die Spitze der Rookies fahren? Der Spanier verpasste nach einem Sturz bei den Testfahrten in Mandalika einige Zeit auf der Strecke und wird daher darauf brennen, sich an die Arbeit zu machen.
Ein Rennen ist vorbei, 20 stehen noch aus - und schon gibt es tausend Gesprächsthemen. Macht Euch bereit, noch mehr Rennaction zu genießen, wenn die MotoGP™ zum ersten Mal seit 1997 in Indonesien für den Pertamina Grand Prix von Indonesien zurückkehrt und das Dröhnen auf den Tribünen mit den Motoren mithalten kann. Die Lichter für das MotoGP™-Rennen gehen am Sonntag um 08:00 Uhr (MEZ) aus, also stellt Euch den Wecker und schaltet pünktlich ein, um ein weiteres Spektakel LIVE zu erleben!