Nach nur einem Testtag in Valencia im November ist es fast unmöglich vorherzusagen, wie die Kräfteverhältnisse in der MotoGP™ im Jahr 2023 sein werden. Wird Ducati seine Dominanz fortsetzen, kann Yamaha Fabio Quartararo die Werkzeuge geben, die er braucht, hat Aprilia wieder ein Ass im Ärmel und welche Verbesserungen sind bei KTM zu erwarten?
Hondas Teammanager Livio Suppo gab zu Beginn dieser Woche seine Expertenmeinung preis, was von Honda im Jahr 2023 zu erwarten ist. Er erklärte, dass es im japanischen Werk keine Ausreden geben kann, jetzt, wo sie über eine Star-Aufstellung verfügen, welche aus aus zwei Weltmeistern und drei MotoGP™-Rennsiegern besteht.
Bei den vier anderen Herstellern sind noch einige Fragen ungeklärt. Dennoch haben wir den ehemaligen Ducati-, Honda- und Suzuki-Chef vor dem in weniger als zwei Wochen stattfindenden Sepang-Test nach seinen Gedanken zur Saison 2023 befragt.
Er wies zunächst auf den rasanten Anstieg der Wettbewerbsintensität in den letzten zehn Jahren hin, der dazu geführt hat, dass 2022 nicht weniger als 14 Fahrer auf das Podium der Königsklasse geklettert sind: „Ich erwarte eine sehr enge Saison. Wir hatten in den letzten vier Jahren vier verschiedene Weltmeister – Marc [Marquez], Joan [Mir], Fabio [Quartararo] und Pecco [Bagnaia]. Das bedeutet, dass der Sport sehr ausgeglichen ist. Es ist nicht mehr wie vor ein paar Jahren, als Marc noch alles dominiert hat.
„Wir sind von den ‚Fantastischen Vier‘ mit Valentino [Rossi], Casey [Stoner], Jorge [Lorenzo] und Dani [Pedrosa] zu den fantastischen Zwölf aufgestiegen. Es gibt niemanden, der eindeutig stärker ist als die anderen, außer Marc, falls er zu seiner Form aus 2019 zurückkehren kann. Doch wir wissen immer noch nicht, ob das möglich ist.“
Es wurde so viel über die Werksaufstellung von Ducati für 2023 geredet und das aus gutem Grund. Pecco Bagnaia und Enea Bastianini holten im vergangenen Jahr bei 20 Grand Prix elf Siege, da Ducati eines der konkurrenzfähigsten Pakete geschnürt hat, die wir in den letzten Jahren gesehen haben. Aber obwohl Suppo seine Augen auf die Paarung des Ducati Lenovo Teams gerichtet hat, glaubt er, dass wir eine Überraschung durch das Satellitenteam erleben könnten.
"Ducati hat ein sehr starkes Team. Nicht nur im Werksteam, sondern auch bei Pramac. Ich glaube fest daran, dass Jorge Martin ein Titelanwärter ist."
„Fabio ist Fabio“, sagte Suppo auf die Frage nach den Chancen des Weltmeisters von 2021. „Er hat sich als sehr schnell und mental stark erwiesen, denn es ist nicht einfach, das zu tun, was er in den letzten zwei Jahren geleistet hat – der einzige zu sein, der in der Lage ist, auf einem Motorrad schnell zu sein, über das sich alle anderen beschwert haben. Wenn Yamaha ihm noch etwas mehr Topspeed geben kann, dann ist Fabio auf jeden Fall vorne dabei."
Das Überraschungspaket des Jahres 2022 kam von Aprilia, als das Werk aus Noale seinen ersten MotoGP™-Sieg feierte und bis zum Schluss um den Titel kämpfte. Obwohl Suppo sagt, dass es für sie schwierig sein wird, eine solche Saison zu wiederholen, glaubt er, dass eine entscheidende Änderung Maverick Viñales (Aprilia Racing) dazu bringen könnte, regelmäßig Erfolge einzufahren.
„Für Aprilia wird es nicht leicht sein, zu beweisen, dass das, was letztes Jahr passiert ist, kein Zufall war. Was in den letzten Jahren mit ihnen passiert ist, ist fast wie ein Wunder. Sie sind aus dem Nichts gekommen und haben sich in so kurzer Zeit stark verbessert. Aprilia macht einen großartigen Job. Ich habe großes Vertrauen in Manu Cazeaux, den jetzigen Crew Chief von Maverick [Viñales]. Er ist einer der klügsten Ingenieure, die ich je gesehen habe. Er ist sehr intelligent , einfühlsam und stark. Er ist gut darin, seine Fahrer zu motivieren. Ich weiß, dass Maverick Manu wirklich bei sich haben wollte, als er zu Yamaha ging, aber Manu glaubte an das Suzuki-Projekt und blieb dort. Ihre Beziehung ist sehr stark, weshalb ich glaube, dass Maverick die große Überraschung im Jahr 2023 sein könnte."
KTM war in den letzten Jahren bei der Verpflichtung von Teampersonal aus dem gesamten Fahrerlager unglaublich aggressiv. 2023 haben sie sowohl Enea Bastianinis ehemaligen Crewchef Alberto Giribuola als auch Jack Millers Crewchef Cristhian Pupulin von Ducati abgeworben. Außerdem haben sie sich im letzten Jahr Francesco Guidotti geschnappt. Ihre einflussreichste Verpflichtung ist jedoch Fabiano Sterlacchini, die ehemals rechte Hand von Ducati Corse General Manager Gigi Dall'Igna, den sie im Sommer 2021 als neuen technischen Direktor an Board geholt haben.
Suppo hat während seiner Zeit im Werk in Bologna eng mit Sterlacchini zusammengearbeitet und unter anderem Casey Stoners zu seinem unvergesslichem WM-Sieg 2007 verholfen. Er glaubt, dass KTMs Neuzugänge sie an die Spitze bringen werden: „KTM hat viele Dinge getan, wenn es darum geht, Leute einzustellen und ihre Struktur zu verändern. Es ist Fabianos zweite Saison dort und jetzt haben sich weitere italienische Ingenieure dem Team angeschlossen.“
„Ich glaube, das wird Fabiano helfen, das Motorrad schneller zu verbessern. Sie haben sehr erfahrene Leute eingestellt und was noch wichtiger ist, sie sind jetzt Fabianos Leute. Das bedeutet viel. Es ist die eine Sache, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die du magst und mit denen du die gleichen Visionen teilst. Aber jetzt hat er seine eigenen Leute unter Vertrag genommen, Leute, von denen er glaubt, dass KTM sie wirklich braucht. Daher bin ich zuversichtlich, dass sie einen Schritt nach vorne machen werden.“
„Jack [Miller] ist Jack, wir wissen, dass er schnell sein kann. Außerdem haben sie mit Brad Binder einen der stärksten Fahrer da draußen. Dann haben sie auch ihr Satellitenteam, das jetzt viel besser organisiert ist als zuvor. Die Veränderung des Namens ist nicht nur ein Marketinginstrument, sondern soweit ich weiß, werden sie vier Werksmotorräder auf der Strecke haben.“